Textilien digital fühlen? Das ITM der TU Dresden arbeitet daran.
digitale Haptik © ITM/TU Dresden

Textilien aus der Ferne erfühlen

Die Situation

Internetshops und andere Portale bieten heute zahlreiche Bilder an, mit denen sich Kundinnen und Kunden einen Eindruck von einem Kleidungsstück oder einem anderen Produkt machen können. Keine Frage: Ein Bild sagt mehr als 1 000 Worte. Doch bislang fehlt in der virtuellen Welt eine wichtige Größe – die Haptik. Ein Stoff lässt sich derzeit aus der Distanz noch nicht erfühlen.

Nun stellen Sie sich vor, Sie würden über das Display Ihres Endgerätes streichen und könnten dabei das "Textil fühlen". Zukunftsmusik? Noch! Aber die ersten Schritte sind getan.

Das Projekt

Am Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik der TU Dresden wurde eine erste Methode entwickelt, um Produktoberflächen aus der Ferne beurteilen zu können.

Die Textiloberflächen werden beschrieben, ihre Rauheit hinreichend genau dargestellt und dann digital übermittelt. Das heißt zusätzlich zum visuellen und auditiven wird auch ein haptisches Feedback für eine digitale Kommunikation ermöglicht.

Dafür wurden im Projekt zunächst die textilphysikalischen, akustischen, optischen und haptischen Kenngrößen verschiedener Textilien charakterisiert, um diese dann in geeignete Signalstrukturen zu übertragen. Anschließend wurden Produkt-Aktoren entwickelt, mit denen die virtuelle Textiloberfläche abgetastet und das „Frequenzbild“ der Oberflächenstruktur, etwa die Rauheit, erfasst werden konnte. Damit wurde es möglich, eine haptische Wahrnehmung nachzustellen und daraus taktile Eigenschaften durch Reizung der Sinnesorgane abzuleiten.

Spezielle 3D-Bildaufnahmen der Oberflächenstruktur wurden in verschiedenen Auflösungen erstellt und mit allen textilen, visuellen, auditiven und haptischen Kennwerten in einer Datenbank hinterlegt. Diese Daten werden mathematisch verarbeitet und dann für die multimodale Wiedergabe kombiniert. Zudem wurde ein webbasiertes Human-Machine-Interface unter anderem als Android-App für ein Smartphone entwickelt.

Der Nutzen für den Mittelstand

Dieses Verfahren ist sowohl für die Industrie, zum Beispiel in der Qualitätssicherung der weltweiten Zulieferkette, als auch den Konsumgüterbereich, den Online-Handel sowie für Menschen mit eingeschränkter Mobilität von Interesse.

Die Lösungen zur digitalen haptischen Präsentation von Produktoberflächen sind eine erste Basis für die unternehmensinterne Kommunikation und zur weltweiten Zusammenarbeit innerhalb der textilen Wertschöpfungskette. Zudem sind durch die digitale Innovation zukünftig Einsparungen bei Retouren und Reklamationen im Versand- und Online-Handel in Millionenhöhe erzielbar. Gleichzeitig werden kleine und mittlere Unternehmen ermutigt, sich stärker am E-Commerce zu beteiligen, wodurch sie ihre Marktposition nachhaltig festigen können.

Der multimodale Forschungsansatz ist auch auf Branchen wie die Papier- und Lederindustrie sowie die Medizintechnik und Robotik übertragbar.

Ansprechpartner

Prof. Dr. Sybille Krzywinski
sybille.krzywinski@tu-dresden.de
+49 351 463 393 12

Fördergeber

Finanzielle Förderung über das Forschungskuratorium Textil als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungseinrichtungen (AiF) aus Haushaltsmitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie im Rahmen des Programms zur Förderung der "Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF)" 19479 BG.